Lincoln, mit seinem Schloss und der Kathedrale oben auf dem Hügel ist eine wunderschöne, historische Stadt. Seit vier Jahren verwandelt es sich jeweils für ein langes Wochenende im September in den Schauplatz der grössten Steampunk Convention in Europa (warscheinlich sogar der Welt, genaueres wissen wir in ein paar Wochen).
Vom 6. bis 9. September war ich also an einem magischen Ort, wo ich fast alle meine Freunde getroffen habe, wo alle ständig in schönen Sachen herumliefen und wunderbar skurrile und lustige Dinge taten. Es war viel zu viel um alles mitzubekommen, aber mein Wochenende in Kurzfassung…
Am Donnerstag Nachmittag kam ich in Lincoln an; abends war das Treffen im Pub für die “early birds”, wo ich schon viele meiner Freunde aus London und Umgebung wiedergetroffen habe. Wir verbrachten einen netten Abend mit Pizza und interessanten Bieren (Chocolate Stout? Erdbeerbier?) und nachdem uns der Pub irgendwann gegen Mitternacht vor die Tür setzte, haben wir im kleinen Kreise noch bei einem Bekannten etwas weitergefeiert.
Freitag begann dann für mich mit einem Spaziergang durch die Fussgängerzone von Lincoln, wo ich dann zufällig ein paar meiner Freunde traf und mit ihnen eine kleine Tour durch die Charity Shops machte (und die perfekte Jacke fand, die ich noch für eins meiner Outfits brauchte), bevor wir dann gemeinsam zu einem Picknick Punknic! im Arboretum aufgebrochen sind. Gegen halb vier machten wir uns wieder an den schweisstreibenden Aufstieg “uphill”, denn so gegen vier ging dann das offizielle Asylum-Programm los. Zunächst mit dem Treffen für Asylum Neulinge im Biergarten des Victoria Pub (mehr Freunde treffen, die erst am Freitag angekommen waren!) und anschliessend gingen wir alle rüber in die Assembly Rooms zur Vorstellung verschiedener Bücher und Signierstunde.
Der Autor Robert Rankin und seine Frau Rachel Hayward
Im Anschluss daran fand dort Lady Elsie’s Fashion Show statt, für mich eins der Highlights dieses Wochendes. Der erste Teil der Show bestand aus historisch korrekter Kleidung aus verschiedenen Epochen, der zweite Teil zeigte dann Steampunk Mode von verschiedenen Designern. Nach der Fashion Show blieben wir noch dort und haben uns die Comedy Night angesehen; allerdings war Robert Rankin der durch das Programm führte deutlich lustiger als die Comedians selbst. Aber wir hatten trotzdem Spass!
Lady Elsie’s Fashion Show
Samstag ist dann DER grosse Tag beim Asylum; viele Gäste kommen nur für diesen einen Tag. Jeder trägt am Samstag sein bestes Outfit, es gibt viel zu sehen und überall wird Programm geboten. Wir bewegten uns den ganzen Tag zwischen dem Schloss, den Assembly Rooms und dem Steampunk Market im ehemaligen Asylum welches dem Festival den Namen gab. Es gab einen Kostümwettbewerb, Tanzstunden, eine Ausstellung mit Preisen für die besten Gadgets und Kunst, den Markt im Asylum, den Markt auf dem historischen Schlossplatz, Vorträge, Filme, Diaschauen… zu viel um alles mitzumachen. Zwischendurch wurde man immer wieder von Fotografen angehalten und um Bilder gebeten. Und den ganzen Tag hatten wir strahlenden Sonnenschein. Gut für Fotos, allerdings auch ganz schön warm!
Im Kreise von Freunden, Steampunks aus fünf Nationen in einem Bild (von links, Willoughby, Cecile, Simon, Rob, Alyson, Evita, Gretchen und ich)
Gegen Ende des Nachmittags gab es dann noch ein Highlight: den Rekordversuch für das Guinness Buch der Rekorde. Momentan wird nämlich der Rekord, die meisten Steampunks zur gleichen Zeit am selben Ort zu versammeln noch in den USA gehalten. Aber nicht mehr lange. Zu diesem Zwecke wurden alle die mitmachen wollten im Hof des Schlosses versammelt und gezählt. Es gab auch strenge Regeln… das Outfit musste zumindest irgendwie viktorianisch sein und es musste ein Sci-Fi Element in Form eines Gadgets vorhanden sein. Da ich – wie meistens – wieder mal gadget-los war, habe ich mir extra für diesen Anlass Goggles geliehen, besonders schicke sogar, vom bekannten Steampunk Erfinder und Mad Scientist, Herr Döktor.
Der Abend war dann das glitzernde Highlight des Asylums 2012: der jährlich stattfindende Empire Ball. Mir war anfangs leicht schwummerig (ja, ich weiss nun warum die Mädels früher alle naselang in Ohnmacht fielen! ausserdem sollte man auch gelegentlich mal was essen!) aber nachdem ich von Freunden liebevoll mit Toast und Saft aufgepäppelt wurde, ging es mir wieder super und ich konnte die Nacht durchtanzen und mir von gutaussehenden jungen Männern den Kopf verdrehen lassen.
Auf dem Empire Ball
Der Sonntag morgen begann dann mit der traditionellen militärischen Parade. Im Steampunk gibt es ja auch ein nicht ganz ernst gemeintes militärisches Element; in der Parade hauptsächlich vertreten durch das parodistische Regiment der “3rd Foot and Mouth“, sowie verschiedener anderer Gruppen, die sich jeweils unter einem gemeinsamen Banner zusammengefunden hatten.
Parade of Banners
Dafür dass das Ganze nicht zu seriös wurde, sorgte dann aber hauptsächlich die “First Tea Company”, deren stolzes Mitglied ich bin. Wir zeigten auf der Parade, wie man in korrekter Formation um den Boiler herumlungert, Tee trinkt und Kekse isst.
First Tea Company
Anschliessend hatten wir dann noch einen ganz ernsten Termin: Rachel Hayward musste sich wegen “Tea Duelling” (für FTC Mitglieder streng verboten, oder in den Worten unseres First Tea Lord Geof Banyard “wir müssen schliesslich irgendeine Regel haben oder?”) vor dem Kriegsgericht verantworten. Der Ankläger Mikey Smith ging mit ihr hart ins Gericht, aber die Tatsache dass die Verteidigung mit Abwesenheit glänzte und spontan von Rachel’s Ehemann Robert Rankin übernommen wurde, indem die beiden zu Ukulelenbegleitung ein Lied sangen, führte dann letztlich dazu, dass das Verfahren vertagt wurde.
First Tea Company Court Martial
Ein paar Stunden später wurde Rachel übrigens schon wieder beim Teeduell gesichtet. Sie ist jetzt National Tea Duelling Champion und wir sind alle mächtig stolz auf sie. Inoffiziell natürlich!
Am Sonntagnachmittag machen sich dann die meisten bereits auf den Heimweg. Bis auf diejenigen, die nie genug kriegen und bis Sonntagabend durchhalten, zur traditionellen Dead Dog Party. Die Kleiderordnung bei dieser Abschlussveranstaltung ist doch deutlich gelockert und so sah man diverse Morgenmäntel, viktorianische Badeanzüge und dergleichen. Auf der Party trat der bekannte Chap Hop Künstler Professor Elemental auf und irgendwie endete ich als Background Tänzerin…
Professor Elemental und, äh, Helfer…
Ich denke aber nicht, dass mich jemand erkannt hat, oder?
Das war dann das Ende des Asylums für dieses Jahr… vier Tage, fünf Paar Schuhe, sechs verschiedene Outfits und Spass ohne Ende!
Wir können alle das nächste Jahr kaum abwarten!
(und mein Ballkleid ist auch schon in Planung!)